Wirtschaftswachstum schafft keine Arbeitsplätze

Gebetsmühlenartig hören wir von unseren Politikern immer wieder und wieder die Aussage “Wir brauchen Wachstum. Es muss immer mehr werden und mehr werden. Wir brauchen Wachstum. Es muss immer mehr werden und mehr werden…”. Wachstum wird von den Politikern gehuldigt wie ein Gott. Wachstum ist der Gott des Kapitalismus. Gnädig gestimmt wird dieser Gott mit Produktivität und Rentabilität. Und so beten sie täglich ihren Gott an und hoffen auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze. “Es muss immer mehr werden und mehr werden. Wir brauchen Wachstum. Es muss immer mehr werden und mehr werden…”. Viele Menschen haben heute dieses mulmige Gefühl im Bauch, dass irgend etwas nicht stimmt. Im Kern dreht sich alles um Schulden. Dieses Schuldenproblem finden wir in allen Ländern der westlichen Welt.

Seit den 1970-er Jahren ist man allgemein überzeugt, Wirtschaftswachstum sei unabdingbar. Wirtschaftswachstum sei Grundvoraussetzung für Beschäftigung, Wohlstand und sozialen Friedens.

Die Politiker können oder wollen nicht erkennen, dass in unserem derzeitigen Finanzsystem der Zins- und Zinseszins (Guthabenszins) dieses Wachstum erzwingt.

Hat ein Kreditnehmer ein verzinsliches Darlehen aufgenommen, muss er mehr zurückzahlen, als er ursprünglich erhalten hat. Der Kreditgeber erhält vom Kreditnehmer, in der Regel über den Dienstleister Bank, seine Zahlungsmittel zuzüglich Zins- und Zinseszins zurück. Der Kreditgeber besaß bereits vor der Kreditvergabe mehr Zahlungsmittel, als er benötigte und konnte diese dadurch verleihen. Sein Vermögen steigt durch die Zinseneinnahmen weiter an, durch den Zinseszins mit zunehmender Beschleunigung.

Der Kreditnehmer kann das verzinsliche Darlehen nur zurückzahlen, wenn er seine Ausgaben reduziert bzw. wenn er seine eigene Leistung steigert und dem stetig wachsenden Guthaben ein entsprechendes Angebot an Waren und Dienstleistungen gegenüberstellt. Das Wirtschaftswachstum müsste sich langfristig ebenso exponentiell entwickeln, wie die Guthaben durch Zins- und Zinseszins. Dies ist nicht der Fall. Das Wirtschaftswachstum kann nicht Schritt halten mit dem Wachstum der Guthaben.

Der Autobauer Volkswagen baute 2006 rund 5.660.000 Automobile (Quelle Wikipedia). Einmal angenommen, Volkswagen möchten seinen Aktionäre in den nächsten 100 Jahren jedes Jahr 7% Zuwachs erwirtschaften – ohne Personalabbau und Lohnkürzungen. Um das Ziel zu erreichen, müsste Volkswagen die Produktionsmenge stetig erhöhen:

2006: 5.660.000
2016: 11.320.000
2026: 22.640.000
2036: 45.280.000
2046: 90.560.000
2056: 181.120.000
2066: 362.240.000
2076: 724.480.000
2086: 1.448.960.000
2096: 2.897.920.000
2106: 5.795.840.000

Sie können erahnen, dass es irgendwann im nächsten Jahrhundert für jeden Menschen auf dieser Welt einen Volkswagen geben würde. Auch für jeden Säugling.
Der Zinssatz von 7% ist übrigens nicht aus der Luft gegriffen:
Volkswagen Vz. Aktienanleihe 7% 2014/03.

Wie man an diesem Beispiel sieht, selbst bei gleichbleibendem Wachstum beschleunigt sich das Anwachsen des BIP. Das 7%-Wachstum wird nur für den Zins der VW-Aktionäre benötigt. Kein einziger Arbeitsplatz entsteht durch dieses 7%-Wachstum. Wir befinden uns durch Zins- und Zinseszins unbewusst in einer Rentabilitäts- und Wachstumsfalle. Die Sprünge werden immer größer. Niemand kann vorhersagen, wie lange exponentielles Wachstum aufrechterhalten werden kann. Es ist eine Frage der Logik, dass in unserer endlichen Welt mit ihren begrenzten Ressourcen derartigen Wachstumsprozessen in ihrer Dauerhaftigkeit natürliche Grenzen gesetzt sind.

Die Lösung für dieses Problem ist ein Geldsystem mit konstruktiver Umlaufsicherung und ohne Wachstumszwang – ein Geldsystem mit fließendem Geld. Die Umverteilung zugunsten einer kleinen Minderheit hört auf, die Umwelt wird geschont und die Realwirtschaft wird aus der Geiselhaft der Finanzwirtschaft befreit.

Empfehlung:
Die Zeit online 25.11.2004
Kurt Biedenkopf – Wachstum schafft noch keine Arbeit

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